David Eisermann ist Kulturjournalist und Moderator von Literaturlesungen

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Persönliches

Die Schauspielerin Irene Eisermann (1913-1997) war meine Tante. In alten Folgen der Serie „Blaulicht“ (etwa 1959-62, Fernsehen der DDR), Vorläufer von „Polizeiruf 110“, kann man sie noch als Nebendarstellerin sehen. Sie hatte kleine Rollen in „Immer nur Du“ (Regie: Karl Anton, 1941), „Leichte Muse“ (Regie: Arthur Maria Rabenalt, 1941) und „Leuchtfeuer“ (Regie: Wolfgang Staudte, 1954).

Irene war verheiratet mit dem Schriftsteller Heinz Kamnitzer, bis 1989 Präsident des PEN-Zentrums der DDR und mein „Onkel Heinz“. Er stammte aus einer jüdischen Berliner Familie und war wenige Monate nach Beginn der NS-Herrschaft im Alter von 16 Jahren wegen illegaler politischer Arbeit festgenommen worden. Nach seiner Freilassung entkam er nach Großbritannien, wo er sich der Kommunistischen Partei Deutschlands anschließen und für zwei Jahre als Hilfsarbeiter in das britische Mandatsgebiet Palästina gehen konnte. Später schrieb er in England für antifaschistische Publikationen wie die Zeitschrift „Inside Nazi Germany“. Er begann ein Studium der Politikwissenschaft, kehrte 1946 aus dem Exil nach Berlin zurück und heiratete Irene 1950. Die Ehe bestand bis zu ihrem Tod. Heinz starb 2001 in Berlin. Bekannt blieb vor allem sein Buch über Arnold Zweig (1887-1968), „Der Tod des Dichters“. Er war auch Herausgeber der Werke von Arnold Zweig. Nach dem Ende der DDR hielten wir Kontakt. Wir sprachen über mein Radio-Feature „Germany Calling“ (Ostdeutscher Rundfunk Brandenburg, Sendedatum 16. 4. 1993). Heinz hatte von Großbritannien aus miterlebt, was die deutsche Radio-Auslandspropaganda in englischer Sprache anrichten konnte.

Die Volkswirtin und SPD-Politikerin Ruth Zutt (1928-1987; bis zu ihrer Heirat Ruth Hebel) war meine Patentante. Sie war SDS-Vorsitzende in Heidelberg und wurde 1980 in den Bundestag gewählt. Seit ihrer Studienzeit war sie die beste Freundin meiner Mutter. Ruth sprach sehr gut französisch, was sie auch bei ihrer politischen Arbeit nutzte. Zur Taufe schenkte sie mir ein großes Bild meiner Geburtsstadt Heidelberg – eine Arbeit der Malerin und Zeichnerin Marie Marcks (1922-2014), die ich 2002 noch für WDR3 interviewte. Ruth Zutt war mit ihr befreundet. Das Bild, ein gerahmter Siebdruck, hat mich mein Leben lang begleitet und hängt heute in meinem Arbeitszimmer. Als ich vierzehn war, schenkte Ruth mir „Der Meister und Margarita“ von Michail Bulgakow in der ersten Luchterhand-Ausgabe und Norman Mailers „Auf dem Mond ein Feuer“. Später unterstützte sie mit einem Darlehen den Druck meiner Dissertation.

Der Volkswirt und Geschäftsmann Dieter Buchmann (1931-2022) war mein Patenonkel. Dieter liebte seit seiner Jugend Spanien und zeigte mir die Provinz Teruel im südlichen Teil der Autonomen Region Aragonien, wo im Bergland noch wilde Steinböcke vorkamen. Neben Aragonien lernte ich durch ihn auch Barcelona, Valencia und Alicante kennen. Dieter war lange Jahre Eigentümer der Elégance GmbH, Aachen, eines Versandhandelsunternehmens, für das ein eigenes Design-Team Prêt-à-porter-Kollektionen für Damen kreierte, die jede Saison in einer Zeitschrift und eigenen Shops präsentiert wurden. Er vermittelte mir einen Einblick, wie dort die Katalogzeitschrift „Elégance“ und die dazugehörige Kollektion gemacht wurden. Auf seinem Alterssitz in Mutxamel eröffnete er mir schließlich die besonderen Qualitäten spanischer Weine. Ich habe ihn als sehr großzügigen und beständigen Freund und Ratgeber in Erinnerung.

Der Berliner Politikberater Daniel Eisermann (*1966) ist mein Bruder. Er ist Experte in politischer Risikoanalyse und internationaler Entwicklungspolitik. Seine Arbeitsfelder umfassen Corporate Intelligence und Betrugsermittlung. Daniels akademischer Lehrer an der Universität Bonn war der Politikwissenschaftler und Zeithistoriker Hans-Peter Schwarz (1934-2017). Zu Daniels zahlreichen Publikationen gehört die vielzitierte Untersuchung „Der lange Weg nach Dayton: die westliche Politik und der Krieg im ehemaligen Jugoslawien 1991 bis 1995“ (Nomos Verlagsgesellschaft, 2000) über die westliche Reaktion auf den gewaltsamen Zerfall Jugoslawiens und dessen Folgen.

Robin van der Hout, Leiter des Brüsseler Büros der Sozietät Kapellmann und Partner und Honorarprofessor für europäisches Wirtschaftsrecht am Europa-Institut der Universität des Saarlandes, ist mein Vetter. Ein weiterer Vetter von mir ist Robins Bruder Eric van der Hout, chief executive officer (CEO) für Netmatch B. V., eine „online sales platform for travel agencies and tour operators“.

Der Bonner Landesfechttrainer Helmut Koch, der Zeichner und Maler Georg Hallensleben, der Kernphysiker Stephan Paul, die Juristin Johanna Schmidt-Räntsch (bis 2021 Richterin am Bundesgerichtshof) sowie der Jazzmusiker und Komponist Gebhard Ullmann (Saxophone, Flöten, Baßklarinette) waren meine Mitschüler am Beethoven-Gymnasium der Stadt Bonn. Wir gehörten alle zur Abiturientia 1976.

Am Beethoven-Gymnasium hatte ich Unterricht in Kunstgeschichte bei dem Archäologen und Altphilologen Karl Arno Pfeiff (1909-1997) und in Philosophie bei Gerhard Reifferscheid (1913-2002), einem katholischen Theologen und Nachfahren des Altgermanisten Karl Simrock, dem Übersetzer des „Nibelungenlieds“. Der Maler Günther Scholl (1923-2011) erteilte uns Kunstunterricht. Scholl hatte bei Otto Pankok an der staatlichen Kunstakademie in Düsseldorf studiert - gemeinsam mit Joseph Beuys und Günther Grass, mit denen er im Jazzclub „Csikós“ (dem „Zwiebelkeller“ in Grass’ „Blechtrommel“) auch musizierte. Unser Schulleiter war Manfred Seidler, an den die „Frankurter Allgemeine Zeitung“ noch 2011 als „den großbürgerlich-weltläufigen Rektor“ erinnerte, der Scholl den Rücken freigehalten habe. Praktischen Unterricht erteilte uns der Bonner Maler und Bildhauer Heinz Feuerborn (1930-2018).

 

Fun Facts

Über meine Frau Regine bin ich verschwägert mit der Schauspielerin Renate Roland (*1943), die in ihrer aktiven Zeit mit Rainer Werner Fassbinder („Acht Stunden sind kein Tag“) und Roland Klick gedreht hat („Bübchen“). Renate war lange mit Marquard Bohm (1941-2006) zusammen, was seinen älteren Bruder Hark Bohm mir gegenüber einmal zu der scherzhaften Bemerkung veranlaßte: „Dann sind wir ja praktisch verwandt“ (cf. „Hark Bohm im Gespräch mit David Eisermann“, pp. 71-79 in „Der Kino-Rabe“, hrsg. von Thomas Bodmer, Zürich: Haffmans Verlag, 1988). Zum weiteren Familienkreis der Geschwister Roland gehörte die Sopranistin Gertrud Bindernagel (1894–1932). Renate war drei Jahre mit einem Bruder von Gila und Barbara von Weitershausen verheiratet. Die beiden und meine Frau sind die Tanten von Renates Sohn Gianni-Christoph von Weitershausen (*1973). Als Lehrerin am Hardtberg-Gymnasium der Stadt Bonn hat Regine den späteren „Tatort“-Regisseur Dustin Loose sowie Giware Hajabi unterrichtet, der als Rapper Xatar bekannt geworden ist. Als Studentin an der Ruhruniversität war sie befreundet mit Claude-Oliver Rudolph, der sich als Schauspieler einen Namen machen sollte.

 

Herkunft und Familie

Geboren bin ich in Heidelberg und lebe und arbeite in Bonn. Meinen Schulabschluß habe ich am Beethoven-Gymnasium gemacht – nach neun Jahren im Klassenverband, von Sexta bis Oberprima. 1976 hieß das: keine Jahrgangsstufen, kein Punktesystem, keine Koedukation, weder „Kurse“ noch „Kurswahl“. Dafür Latein ab der 5. Klasse und im Abitur Mathematik, Deutsch, Französisch und Englisch sowie Schwimmen. Abiturfahrt nach Moskau und Leningrad in der Sowjetunion. Mitglied im „Gymnasial Ruderverein (GRV)“. Meine Eltern waren Nora Herwald (1928-2022; nach ihrer Heirat Nora Eisermann) und Gottfried Eisermann (1918-2014). Meine Mutter war in Frankfurt als Diplom-Volkswirtin an der Volkswirtschaftlichen Abteilung der Bank deutscher Länder beschäftigt (seit 1957 Bundesbank). Mein Vater war in Berlin Mitarbeiter der „Deutschen Zentralverwaltung für Volksbildung“, des späteren Ministeriums für Volksbildung der DDR und unterrichtete gleichzeitig an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Humboldt-Universität. Er trat aus der SED aus und kam 1950 nach Heidelberg, habilitierte sich dort 1957 für „Wirtschaft und Gesellschaft“ und wurde verbeamteter Hochschuldozent. 1962 ernannte ihn der Kultusminister in Düsseldorf zum ordentlichen Professor der Soziologie an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät in Bonn. Seit Anfang 1963 lebten wir in Bonn.
 
Carla Honigmann und Franz Herwald
 
Die Eltern meiner Mutter waren Carla Honigmann (1903-1974; nach ihrer Heirat Carla Herwald) und Franz Xaver Herwald (1887-1973). Meine Großmutter Carla entstammte der Essener Familie Honigmann. Die Honigmanns hatten sich im 19. Jahrhundert als Industrielle im Ruhrgebiet einen Namen gemacht und besaßen weitgespannte Interessen vom Bergwerkswesen über den Maschinenbau bis zu einer Reederei in Antwerpen, Carlas Geburtsort. Nach dem Ersten Weltkrieg und dem Tod von Carlas Vater Ernst Honigmann (1861-1927) zerfielen die Unternehmungen der Familie. Vom Vermögen blieb nichts. Das Stammhaus in der Essener Akazienallee wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Auf dem kommunalen Essener Ostfriedhof befindet sich noch das Grabmal der Familie Honigmann. Mein Großvater Franz hatte sich als Sohn eines Bauern im Paderborner Land zum promovierten Tierarzt und Stadtveterinärrat in Bad Oeynhausen (Kreis Minden-Lübbecke, Nordrhein-Westfalen) hochgearbeitet. Im Ersten Weltkrieg war er Unterveterinär im Reserve-Fußartillerie-Regiment Nr. 25, bei dem die Geschütze noch von Pferden gezogen wurden. Durch einen Kopfschuß schwer verwundet, geriet er in russisch-zaristische Kriegsgefangenschaft. Im Rahmen humanitärer Maßnahmen des finnischen Roten Kreuzes wurde er gegen den Sohn des Bürgermeisters von St. Petersburg ausgetauscht.
 
Marie-Luise Vogel und Erich Eisermann
 
Die Eltern meines Vaters waren Marie-Luise Vogel (1885-1962; nach ihrer Heirat Marie-Luise Eisermann) und Erich Eisermann (1886-1973). Marie-Luises Vater Richard und sein Bruder Ludwig gehörten zur Minderheit der deutschen Sinti. Die Familie betrieb in Plauen im Vogtland den Gasthof „Zum weißen Lamm“. Um den Zwängen ihrer Herkunft zu entkommen (die ein streng gehütetes Familiengeheimnis bleiben sollte), verließen Ludwig und Richard Sachsen und wechselten ins Nachbarland Preußen. Indem sie sich auf eine vermeintlich hugenottische Herkunft beriefen (Verwandte von mir traten später noch der Berliner französisch-reformierten Gemeinde bei), gelang ihnen – soziologisch ausgedrückt – ein Passing, bei dem ihre Herkunft von Außenstehenden nicht mehr erkannt und sie und ihre Nachkommen nicht mehr den mit dieser Identität verbundenen gesellschaftlichen Erwartungen und Normen unterliegen sollten. Die „brünette“ Hautfarbe, die dunklen Augen und Haare und der Schnitt ihrer Gesichter wurden als „südfranzösisch“ deklariert, Vornamen französisch ausgesprochen („Louis Vogel“) und Verwandtenbesuche aus Plauen auf Distanz gehalten (an einer Stelle in „The Women“ spielt T. C. Boyle darauf an, was ich ihm über unsere „Tanten mit den Schnurrbärten“ erzählt hatte: „The concierge—Frau Eisermann, did you notice her? The little woman with the mustache?”). Ludwig und Richard erlangten als Wachtmeister im Leibgarde-Husaren-Regiment in Potsdam schließlich eine Vertrauensstellung bei der Bereitstellung der Pferde für den körperlich behinderten Kronprinzen, der hier nominell der Regimentschef war. Vom Verkauf von Bürsten, Holzpantoffeln und Drillichsachen auf dem Übungsplatz Döberitz gelang den Brüdern der geschäftliche Aufstieg bis zur Übernahme der Bewirtschaftung des Casinos der Husaren in Potsdam. Ins Zivilleben entlassen, wurden sie bekannte Gastwirte in Berlin. Der Kaiser, der Ludwig Vogel noch aus seiner Zeit beim Leibgarde-Husaren-Regiment kannte, ernannte ihn zum Hoflieferanten. Neben dem „Spaten-Bräu“ in der Friedrichstraße bewirtschafteten die Brüder Vogel unter anderem das „Forsthaus Paulsborn“ und die Kantine im Kaiserlichen Postfuhramt. Nach Ludwigs und Richards Tod führten meine Großeltern Erich und Marie-Luise dieses Betriebsrestaurant in der Artilleriestraße weiter. Drei Tage vor der Ausrufung der Republik kam mein Vater im Postfuhramt zur Welt. Erichs Mutter Bertha war nacheinander mit beiden Großvätern meines Vaters verheiratet – zuerst mit Erichs Vater Gottfried Eisermann, einem auf Kindermode spezialisierten Schneidermeister aus Ostpreußen, und nach dessen Tod mit Marie-Luises Vater Richard. Sie war gleichzeitig die Großmutter meines Vaters und die Stiefmutter seiner Mutter Marie-Luise und lebte bis zu ihrem Tod im Alter von 96 Jahren mit Erich, Marie-Luise und ihren Kindern zusammen. Bertha stammte aus dem winzigen Ort Wiktorowo in der Provinz Posen (im preußisch beherrschten Teil von Polen; ihre Berliner Enkel nannten sie „die polnische Großmutter“). Erichs Vater war noch auf einem Bauernhof zur Welt gekommen, in einem Dorf bei Allenstein in Ostpreußen, über das gescherzt wurde, dort bildeten Eisermanns die Mehrzahl der Einwohner. Unterlagen im Archiv der Woiwodschaft zeigen heute noch, daß einzelne Mitglieder der Familie nicht lesen und schreiben konnten und mit „drei Kreuzen“ unterzeichneten. Den frühen Tod seines Vaters hatte Erich nie verwunden. Er erzählte, seine Mutter habe seinem Vater auf dem Sterbebett versprochen, nicht wieder zu heiraten. Als sie dann doch wieder heiratete – Richard, einen Witwer mit vier Kindern – nahm Erich Reißaus und heuerte auf einem Schiff der Handelsmarine an, das Kap Hoorn umrundete. Nachdem er als Schiffsjunge erlebt hatte, wie Kameraden im Sturm aus der Takelage in den Tod stürzten („Wasser hat keine Balken“ war später immer so ein Satz von ihm), setzte er sich bei der Rückkehr nach England ab und schlug sich bis Berlin durch. Dort wuchs er bei seinem Stiefvater Richard Vogel auf, machte eine Lehre als Möbelkaufmann und heiratete seine Stiefschwester Marie-Luise. Erich ging leidenschaftlich gern ins Theater. Er liebte die Welt der großen Berliner Bühnen, der bekannten Schauspieler und berühmten Regisseure. Zwei seiner Kinder legten später die Bühnenprüfung ab. In alten Folgen der Serie „Blaulicht“ (etwa 1959-62, Fernsehen der DDR), Vorläufer von „Polizeiruf 110“, kann man noch seine Tochter Irene Eisermann als Nebendarstellerin sehen. In den 1920er Jahren bewirtschaftete er mit Marie-Luise das Betriebsrestaurant („Casino“) der Preußischen Landesbank („Seehandlung“) am Berliner Gendarmenmarkt. Den „blonden Erich“ nannten sie ihn in der Familie, wo die Kinder Marie-Luises dunkles Haar und tiefliegende dunkle Augen hatten. Erich war schon als junger Mann zu Zeiten der Monarchie Sozialdemokrat. Seine größte politische Enttäuschung: daß die SPD trotz aller vollmundigen Ankündigungen Hitler nicht verhindern konnte.
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